Die Reise ins zollfreie Livigno

Zernez-Punt la Drossa-Livigno-Forcla di Livigno-Bernina-Pontresina-St.Moritz

Die Linienbusse des italienischen Busunternehmens Silvestri bringen die Passagiere ganzjährig in rund 45 Minuten von Zernez durch den Munt la Schera Tunnel über die Grenze bis nach Livigno. Das Dorf hat neben seiner Zollfreiheit noch einiges mehr zu bieten und lädt zum Verweilen ein. Während den Sommermonaten ergibt sich mit der Weiterfahrt über den Forcla di Livigno und den Berninapass eine herrliche Rundreise...

Am Bahnhof von Zernez wartet der Silvestri Bus auf seine Abfahrt
Am Bahnhof von Zernez wartet der Silvestri Bus auf seine Abfahrt

90.815 Zernez - Punt la Drossa - Livigno Centro

Ausgangspunkt der Linie 815 ist das Tor zum Nationalpark. Am Bahnhof von Zernez starten insgesamt drei Linien. Im Gegensatz zu der von der PostAuto AG betriebenen Linien nach Müstair-Mals/Malles (90.811) und Cinuos-Chel-Brail (90.812) wird die Strecke nach Livigno vom italienischen Busunternehmen Silvestri SA betrieben. Jedoch besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Post. So sind zum Beispiel in den italienischen Fahrzeugen Kassensysteme der PAG vorhanden und die ganze Linie ist ins schweizerische Tarifsystem integriert. 

Der silberne Silvestri Bus unterwegs in Zernez
Der silberne Silvestri Bus unterwegs in Zernez

Das heisst auch, dass sämtliche Schweizer Abonnemente wie GA, BÜGA und Tageskarten uneingeschränkt gültig sind. Der Fahrplan sieht ganzjährig sechs, im Sommer gar acht Verbindungen ins zollfreie Livigno vor. Nach dem die Busse den Anschluss vom Regio aus Scuol abgenommen haben, kann die gut 40 minütige Reise los gehen. So lässt der silberne Linienbus den Bahnhof hinter sich und schlängelt sich durch den Dorfkern zum Nationalparkhaus. Der markante Neubau aus Leichtbeton bildet seit 2008 das Besucherzentrum des Schweizerischen Nationalparks.

Der Mercedes Sprinter passiert gerade den Nationalpark-Eingang in Champlönch
Der Mercedes Sprinter passiert gerade den Nationalpark-Eingang in Champlönch

Nach einem kurzen Halt nimmt der Silvestri Bus die Bergfahrt in Richtung Ofenpass in Angriff. So braust das Fahrzeug die inzwischen gut ausgebaute Passstrasse bergwärts. In Fahrtrichtung rechts ergibt sich unterwegs ein imposanter Blick in die Spölschlucht hinunter. Der gleichnamige Fluss entspringt zuhinterst im Val Ursera oberhalb des Forcola di Livigno und fliesst dann via Livigno bis nach Zernez, wo das Fliessgewässer schliesslich in den Inn mündet. Die Strasse sucht derweil ihren Weg an der steilabfallenden Bergflanke entlang zum Höhenplatteau Ova Spin. 

Der Silvestri-Bus unterwegs im Nationalpark
Der Silvestri-Bus unterwegs im Nationalpark

Nun windet sich die Strasse nach Champlönch hinunter, wo der einzige Schweizer Nationalpark beginnt. Seit über 100 Jahren ist die einzigartige Wildnislandschaft mit der einmaligen Tier- und Pflanzenwelt in den Engadiner Dolomiten streng geschützt. Ein rund 80 Kilometer grosses Wanderwegnetz lädt zur Erkundung ein. Doch auch die Passstrasse führt durch diese bezaubernde Landschaft des Parc Naziunal. Über Vallun Chaflou erreicht der Linienbus kurze Zeit später die Zollstation von Punt la Drossa. Auf der Brücke, welche über die Ova dal Fuorn führt, sind grosse Warteräume eingerichtet.

Der Silvestribus bei der Tunneleinfahrt in Punt la Drossa
Der Silvestribus bei der Tunneleinfahrt in Punt la Drossa

Diese werden in der Ferienzeit benötigt, um den Verkehr vor dem Tunnelportal zurückzuhalten. Denn der Munt la Schera Tunnel ist komplett einspurig. So sind Wartezeiten vorprogrammiert. Insbesondere an Samstagen in der Wintersaison stösst der Tunnel an seine Kapazitätsgrenzen. Um einen totalen Verkehrskollaps zu verhindern, kann man dann nur am Morgen von Livigno in Richtung Schweiz ausreisen und am Nachmittag nur in die Gegenrichtung einreisen. Der Verkehr wird in dieser Zeit in einem separaten Warteraum in der Nähe von Ova Spin zurückgehalten. 

Der Bike-Shuttle, ebenfalls von Silvestri betrieben, überfährt die 130 Meter hohe Staumauer
Der Bike-Shuttle, ebenfalls von Silvestri betrieben, überfährt die 130 Meter hohe Staumauer

Sobald das Lichtsignal auf grün springt, geht die Reise weiter. Der Munt la Schera Tunnel wurde 1968 von den Engadiner Kraftwerken gebaut. Ursprünglich diente er nur als Verbindungsstollen für den Bau der Staumauer vom Lago di Livigno. Nach der Fertigstellung wurde er dann für den übrigen Verkehr freigegeben, jedoch nur gegen eine Durchfahrtsgebühr. Die 3.5 Kilometer des Tunnels sind praktisch noch im Ursprungszustand. Nach wenigen Minuten ist es dann geschafft, und das Licht am Ende des Tunnels ist in Sicht. Weiter führt die Fahrt nun über die 130 Meter hohe Staumauer. 

Ein neues Low Entry Fahrzeug aus dem Hause SCANIA passiert den italienischen Zoll in Punt dal Gall
Ein neues Low Entry Fahrzeug aus dem Hause SCANIA passiert den italienischen Zoll in Punt dal Gall

Mitten auf dieser Mauer steht auch ein kleines Zahlhäuschen, denn die Tunneldurchfahrt ist mautpflichtig. Jedoch nicht für den Linienbus und so geht die Reise weiter, bis Livigno sind es noch rund 10 Kilometer. Die Strasse schlängelt sich nun am rechten Ufer des Lago di Livignos entlang, welcher durch die von den Engadiner Kraftwerken erbaute Staumauer zurückgehalten wird. Die Route zwischen dem Dorf und dem Tunnelportal ist grösstenteils mit einer Galerie von Steinschlägen und Lawinen geschützt. Denn sie bildet die einzige wintersichere Verbindung Richtung Norden. 

Endstation Livigno Centro
Endstation Livigno Centro

Nach rund 40 Minuten ist zum ersten Mal wieder Zivilisation in Sicht, Livigno. Die langgezogene Ortschaft zieht durch seine Zollfreiheit nicht nur Shoppingtouristen an, sondern hat sich in den letzten Jahren auch zu einem Sportzentrum entwickelt. Im Sommer warten Downhill Abfahrten, Bike Strecken und ein grossen Netz an Wanderwegen auf die Sportbegeisterten. In der Wintersaison kann man sich nicht nur auf den Ski- und Langlaufen Strecken vergnügen, sondern auch in der einen oder anderen Après Ski Bar. Schliesslich endet die Reise im ÖV Knotenpunkt Livigno Centro.

Der Nachmittagskurs wartet in der ersten Betriebswoche der Saison 19 auf die Fahrgäste
Der Nachmittagskurs wartet in der ersten Betriebswoche der Saison 19 auf die Fahrgäste

90.705, Livigno-Bernina-Pontresina-St.Moritz

Die Linie 705 nimmt ihren Anfang ebenfalls bei der Haltestelle Centro Bus Station. In mitten des Dorfes warten die Busse der Silvestri SA neben den himmelblauen Bussen nach Bormio (A072) auf ihre Abfahrt. Während den Sommermonaten verlassen insgesamt sieben Kurse den Sportort in Richtung Berninapass. Bei der Fahrt zum Forcola di Livigno zeigt sich wie langgezogen das Dorf eigentlich ist. 1805 erklärte Napoleon die abgeschiedene Ortschaft für zollfrei und wollte so verhindern, dass sich Livigno entvölkert. 

Der Silvestribus unterwegs in Richtung Livigno
Der Silvestribus unterwegs in Richtung Livigno

Die Ortschaft will einfach nicht enden, erst nach rund 10 Kilometern lässt der Linienbus die letzten Häuserreihen hinter sich und man taucht in eine wunderschöne Bergwelt ein. Am Fenster zieht eine karge Landschaft vorbei, die jedoch auch ihren Reiz hat. So zwingt sich der Silvestri Bus die recht schmale Strasse hinauf. Hie und da bekommt man mit ein bisschen Glück auch ein Murmeltier oder sonst ein Lebewesen zu Sicht. Nach etwa 20 Minuten ist die 2`315 Meter hohe Passhöhe bezwungen und man passiert zugleich den italienischen Zoll. Der Forcola di Livigno ist ein jüngerer Alpenübergang, 

Bei wolkenlosem Wetter erreicht der Mercedes Tourismo das Ospiz
Bei wolkenlosem Wetter erreicht der Mercedes Tourismo das Ospiz

denn er befindet sich nicht wie viele andere Schweizer Pässe an einer Handelsroute. Nach dem Passieren der Grenze folgen mehrere Kilometer Niemandsland. So verengt sich die Route noch ein bisschen mehr und ein Kreuzen ist nicht immer möglich. An der rechten Bergflanke entlang schlängelt sich die Strasse weiter nach vorne bis zum Schweizer Zoll. Dort mündet die Passstrasse direkt in die Berninaroute. So kämpft sich der Bus nun die inzwischen gut ausgebauten Kurven hinauf. Unterwegs ergibt sich immer wieder ein herrliches Panorama hinunter in das Puschlav. 

Ein Setra S 415 UL gelangt über den grossen Parkplatz zur Diavolezza Bahn
Ein Setra S 415 UL gelangt über den grossen Parkplatz zur Diavolezza Bahn

Nach gut 30 Minuten Fahrzeit ist das Bernina Ospiz in Sicht. Die 2`328 Meter hohe Haltestelle ist nicht nur der höchste Punkt der heutigen Reise, sondern auch des gesamten RhB Netzes. Die Fahrt geht nach einer kurzen Pause weiter in Richtung Pontresina. Hier verkehren die Busse der Silvestri SA parallel zur PostAuto Linie 90.701 Le Prese - Poschiavo - Samedan. Der Linienbus tuckert nun durch die Hochebene, welche vom Lago Bianco und dem dahinter liegenden Cambrena Gletscher und dem 3`606 Meter hohen Piz Cambrena dominiert wird. Vorbei am deutlich kleineren Lago Nero gelangt der Bus nach Diavolezza.

Der Citaro Bus erreicht die Abzweigung Morteratsch
Der Citaro Bus erreicht die Abzweigung Morteratsch

Hier sieht der Fahrplan einen kurzen Abstecher zur Talstation der Luftseilbahn vor. Nachdem einige Wanderer zugestiegen sind, geht es via Bernina Suot weiter talwärts. Das grosse Highlight steht aber noch an, der bezaubernden Ausblick auf den Morteratsch-Gletscher. Nach der grossen Linkskurve ergibt sich durch die Frontscheibe einen atemberaubenden Blick auf die rund 6 Kilometer lange Gletscherzunge. Mit weiteren Kehren windet sich die Strasse bis auf den Talboden hinunter. Vorbei an der Haltestelle Abzweigung Morteratsch, die sich in unmittelbarer Nähe des beliebten Campingplatzes befindet,

Pontresina Post ist Ziel vieler Fahrgäste
Pontresina Post ist Ziel vieler Fahrgäste

tuckert das Fahrzeug durch den stark bewaldeten Talboden nach Pontresina. Der Alpinismus hat in dieser Ortschaft lange Tradition. Die Erstbesteigung des nahegelegenen Piz Bernina, führte bereits 1850 dazu, dass Pontresina zu einem beliebten Bergsteiger Ausgangspunkt wurde und dies auch nach wie vor noch ist. So wird ein Halt bei der Post eingelegt, bevor es hinunter zum Bahnhof geht. Von hier aus hat man Anschluss mit der RhB zurück nach Zernez - Scuol-Tarasp (960). Für den italienischen Linienbus ist die Reise seit einigen Jahren hier nicht mehr zu Ende. 

Der Bahnhofsplatz von St. Moritz bildet den Endpunkt der Reise
Der Bahnhofsplatz von St. Moritz bildet den Endpunkt der Reise

Denn mit dem Fahrplanwechsel 2019 wurde die Linie 705 bis nach St. Moritz verlängert. So tuckert der Bus ohne viel Zeit zu verlieren am Flaz Fluss entlang zur Talstation der Muottas Muragl Bergbahn. Hier biegt die Strasse nach St. Moritz links ab. Vorbei an Celerina erreicht der Bus schliesslich, nach einer Fahrzeit von 1 Stunde und 10 Minuten, den neuen Bahnhofsplatz von St. Moritz. Hier bestehen schlanke Anschlüsse an die Albula-Linie nach Chur (940). Des weiteren besteht auch die Möglichkeit drei Mal am Tag mit dem PostAuto über den Julierpass weiter nach Chur zu Reisen (90.182)

Anschlusslinien:

AB ST.MORITZ:

940, St. Moriz - Albula - Chur

950, St.Moritz - Pontresina - Bernina Ospizio - Tirano

960, St.Moritz - Zernez - Scuol

90.631, St.Moritz - Chiavenna - Lugano

90.604, St.Moritz - Maloja Pass - Chiavenna


Last Update: 14.11.2023

Zuletzt Gereist: 09.08.2024